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Varianten

1. Low Fat Carnivore

50 % der Kalorien aus Fett, 50 % der Kalorien aus Eiweiß. Der Vertreter dieser Bewegung ist Dr. Ted Naiman mit seinem „P:E ratio“-Slogan[1], also das Protein- zu Energieverhältnis soll möglichst groß sein. Dieses Verhältnis entspricht einem Fettanteil im Fleisch von ca. 10 %. Somit erhält man 20 g Eiweiß und 10 g Fett pro 100 g Fleisch. Das Fett- zu Eiweißverhältnis in Gramm beträgt also 1:2. Wer mageres Fleisch mit 5 % Fettanteil verwendet, der sollte also pro 100 g Fleisch noch 5 g, also einen Teelöffel Fett hinzugeben.

Folgende Vorteile hat diese Variante der Carnivore Diät: 1. Sie eignet sich sicher sehr gut als kurzfristige Gewichtsabnahme. 2. Für Sportler mit HIT-Training ist es sicher auch ganz gut durchzuhalten, denn durch das viele Eiweiß werden ihre Glykogenspeicher immer gut gefüllt sein. Ihre Leber produziert aus den übrigen Aminosäuren viel Glucose (Gluconeogenese). 3. Für Leute, die noch nicht fettadaptiert sind, die also ohne einen vorherigen Einstieg in die Ketogene Diät mit Carnivore beginnen, ist diese fettarme Variante der Carnivoren Ernährung sicher besser. Sie fühlen sich nicht gleich zu schlapp, ihre Galle kann Stück für Stück die Kapazitäten zur Fettverdauung erhöhen, Übelkeit von zu viel Fett in der Diät kann man somit anfangs verhindern. Auch die Symptome einer Ketogrippe bleiben damit aus.

Es treten aber auf Dauer viele Probleme auf. 1. Man ernährt sich die meiste Zeit unterkalorisch. Das ist auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten. 2. Jeder Übergewichtige, jeder mit Bauchspeck und jeder Schlanke mit Unterzuckerungserscheinungen leidet an Prediabetes, sprich Hyperinsulinämie und Insulinresistenz. Durch viel Eiweiß wird nach wie vor zu viel Insulin ausgeschüttet, die Ketose, sprich die Fettverbrennung setzt hier nicht ein. Nur Fett wird ohne Insulin verstoffwechselt. Das metabolische Problem wird also nicht gelöst. 3. Es tritt viel häufiger Hunger auf. Man kann dadurch keine langen Nahrungskarenzen aushalten, geschweige denn Fasten oder intermittierend Fasten. 4. Unsere Hormone, insbesondere Sexualhormone leiden darunter. Fett befriedigt. Es leidet unsere Konzentration, denn unser Hirn verstoffwechselt Fett viel lieber. Auch unser Herz läuft ruhiger, wenn mehr Ketone hergestellt werden. Der Ruhepuls sinkt. 5. Es ist eine Verschwendung unserer tierischen Ressourcen. Zur Zeit wird die Hälfte des Tieres weggeschmissen, insbesondere das Fett, denn fettreiches Fleisch wird verpönt. Dabei haben unsere Vorfahren schon mit Absicht das fettreiche Rind und das fettreiche Schwein gezüchtet, statt sich von magerem Wildfleisch zu ernähren. Sie bildeten den Ersatz für die ausgestorbenen großen fettreichen Landtiere, wie das Mammut.



[1] https://tednaiman.com/ [Zugriff am 14.04.2023]

2. Medium Fat Carnivore

Bei dieser Carnivore-Variante handelt es sich um die gängigste. Das Verhältnis von Fett zu Eiweiß in Gramm beträgt hier 1:1. Somit erhält man 67 % der Kalorien aus Fett und 33 % der Kalorien aus Eiweiß. Der Fettanteil im Fleisch müsste dann ca. 17 % betragen. Wer mageres Fleisch mit Talg oder Schmalz (100 % Fett) mischt, der müsste zu 100 g magerem Fleisch 15 g extra Fett geben. Hierbei ist aber eingerechnet, dass selbst mageres Fleisch einen Fettanteil von 5 % enthält.

Vorteile: Die Goldene Mitte! Ich denke, dass jeder, der mit Carnivore beginnt, hier gut und sicher aufgehoben ist. Vor allem, wenn er schon durch eine low-carb Ernährung oder durch längere Fastenperioden fettadaptiert ist, dürfte die Umstellung auf Carnivore hier keine Probleme darstellen. Die Menge an Eiweiß ist auch für Kraftsportler im richtigen Verhältnis, so dass auch hier kein Abfallen der Muskelkraft zu spüren sein sollte.

Wer im Supermarkt Hackfleisch kauft, der hat hier den richtigen Anteil von ca. 17 % Fett. Ein Steak muss dagegen schon etwas stärker durchwachsen sein, wie oben auf dem Bild zu sehen, um diesen Anteil wiederzugeben. Rib-Eye oder auch Entrecôte genannt zum Beispiel. Auch Ochsenschwanz dürfte in etwa diesem Fettgehalt entsprechen.

Wer dieses Verhältnis kontinuierlich einhält, der dürfte gut in der Ketose sein bei ca. 1,0 mmol/l.

Nachteile: Wer durch diesen Fettanteil das Gefühl hat, zu viel Eiweiß zu konsumieren, der sollte dann auf noch mehr Fett übergehen. Woran erkennt man ein Zuviel an Eiweiß? Starken Durst nach dem Essen, Hitzewallungen, das Gefühl, Bäume ausreißen zu können, gefolgt von Leistungstiefs, sprich zu starke Unruhe.

3. High Fat Carnivore

 

Mit einem Fett- zu Eiweißverhältnis von 2:1 kommt man sicher tief in Ketose. Meist so um die 2,0-3,0 mmol/l. Wie bei der klassischen ketogenen Ernährung auch, wird ein Anteil von ca. 80 % der Kalorien aus Fett bezogen. 20 % stammen von Eiweiß. Insgesamt beträgt der Fettanteil im Fleisch 25-30 %. Oder auf Gramm bezogen: Zu 100 g magerem Fleisch müsste man 35 g Talg oder Schmalz hinzufügen, um diesen Anteil zu erreichen. Die Vertreter der paleolithischen ketogenen Diät von Paleomedicina empfehlen dieses Verhältnis als ideal.[1]

 

Vorteile: Die Ketose wird hiermit stärker erreicht. Das Zufriedenheitsgefühl und auch die Sättigkeit hält lange an. Seit ich dieses Verhältnis anstrebe, sind Nahrungspausen von 10 bis 12 Stunden für mich kein Problem. Auch das gelegentliche Fasten fällt einem mit dieser fettadaptierten Ernährungsweise leichter. Der hohe Fettanteil ermöglicht geringste Insulinausstöße. Deshalb gibt es viele Leute, die berichten, erst bei so hohen Fettanteilen, an Gewicht verloren zu haben. Viele Leute können also erst durch diesen hohen Anteil an Fett ihre Hyperinsulinämie endgültig beheben. Schließlich ist Körperfett allein auf zu hohe Insulinausschüttungen zurückzuführen, nicht auf zu viele Kalorien. Aber eine zu hohe Kalorienaufnahme ist hier auch fast unmöglich, denn es wird sehr viel Leptin, also Sättigkeitshormon, ausgeschüttet. Die geistige Konzentrationsfähigkeit ist auf dieser hohen Stufe der Ketose sehr hoch. Aber nicht nur das Gehirn profitiert von der großen Menge an Ketonen, auch das Herz kann mit Ketonen mehr Leistung vollbringen[2]. Der Ruhepuls wird dagegen sinken. Wer Ausdauersportler ist, der hat mit diesem perfektionierten Fettstoffwechsel endlose Ressourcen.

 

Folgende Teile vom Tier haben dieses hohe Fett-zu-Eiweißverhältnis: Zwerchrippe, Schweinebauch, Rinderbrust, Schweinshaxe oder -schulter, Weißwurst, Wienerwurst, Lammfleisch, Salami.

 

Nachteile: Der Körper sollte bereits eine Zeitlang an den Fettstoffwechsel angepasst sein. Die Galle sollte bereits gut genug auf fettreiche Nahrung eingestellt sein, um die Verdauung des hohen Fettanteils zu schaffen. Wer das viele Fett nicht verdauen kann, der erfährt Übelkeit und eventuell Durchfall. Wer bei den Mahlzeiten noch eher auf die Dehnungsrezeptoren des Magens als auf das Sättigkeitshormon Leptin hört, der wird bei diesem Verhältnis einfach zu viel essen.

 



[1] www.paleomedicina.com [Zugriff am 13.04.2023]

[2] Matsuura T.R. et al. 2023: Ketones and the Heart: Metabolic Principles and Therapeutic Implications. https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCRESAHA.123.321872#d1e358 [Zugriff am 13.04.2023]

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Nadja Egle-Walch (Dienstag, 18 April 2023 15:34)

    Danke, wieder einmal sehr informativ!

  • #2

    Benjamin (Donnerstag, 27 April 2023 08:56)

    Hallo Andrea,

    danke für diesen informativen Artikel. Ich würde mich tatsächlich als Low-Fat-Carnivoren bezeichnen – zumindest von Montag bis Freitag. Ich esse mindestens 150 g Protein am Tag (OMAD), versuche aber bei maximal 1.500 kcal zu bleiben. Die restliche Energie, die ich aufbringe, stammt eben aus meinem Körperfett. An den beiden Wochenendtagen esse ich dann gut und gerne zusammengerechnet 10.000 kcal. Da sind dann auch viele Kohlenhydrate dabei. Meine Glykogenspeicher sind am Montagmorgen stets prallgefüllt.

    Und obwohl ich mir dann wieder jede Menge Protein genehmige, leeren sich meine Glykogenspeicher nach ein bis zwei Tagen wieder vollständig und ich komme in Ketose. Dass man mit Protein seine Glykogenspeicher auffüllt und aus der Ketose fliegt, kann ich anhand meiner persönlichen Erfahrung also nicht nachvollziehen. Ich bin relativ sportlich und eisern, aber auch nicht wirklich ein Leistungssportler. Generell fühle ich mich mit dieser Form, die durchaus gewisse Extreme enthält, ausgesprochen gut.

    Liebe Grüße,

    Benjamin