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Voll-sein versus Satt-sein

Während viele unter der Carnivoren Ernährung auf einen Schlag einen perfekten Rhythmus mit Hunger- und Sättigkeitsgefühl erreichen, merken andere, dass sie doch trotz besserem Wohlbefinden unter der Carnivoren Ernährung zunächst zunehmen.

 

So in etwa erging es auch mir und so blieb ich auf meinem Plateau. Ich fühlte mich zwar sehr viel besser und wollte nicht mehr zurück, aber eigentlich war ich, wenn ich mein altes Essverhalten auf die Carnivore Ernährung anwende, durchgehend voll und übersatt!

 

Was läuft hier falsch? Die Nur-Fleisch-Ernährung ist nun mal wesentlich nährstoffdichter als eine gemüsereiche Ketodiät. Ich bin es bisher gewohnt gewesen, bis zum Voll-sein zu essen, wenn die Dehnungsrezeptoren des Magens Zeichen geben. Außerdem habe ich mit gelegentlichen Binge-Eating-Attacken, also einem Kontrollverlust beim Essen, meinen Magen vermutlich sehr gedehnt.

 

Deshalb versuche ich, wenn es mir möglich ist, meine Mengen abzuwiegen. Viele haben sich bereits gewundert, warum ich so kleine Mengen zu mir nehme. Nach diesen Mahlzeiten habe ich zunächst für circa 10 Minuten ein komisches Gefühl, weil meine bisherigen Signale mir sagen: „Es geht noch mehr! Du bist noch nicht voll!“. Aber dann bereitet sich das Sättigungsgefühl in mir aus. Das Hormon Leptin entfaltet meist erst nach 20 Minuten seine Wirkung. Es ist ein richtig zufriedenstellendes Satt-sein, das mir für die nächsten Stunden auch weiter ganz viel Energie und Kraft gibt, statt Müdigkeit und Erschöpftsein. Ich komme so mit zwei Mahlzeiten am Tag aus. Das Körpergefühl ist viel sensibler, wenn man einfach nur satt ist, statt voll zu sein! Ein kleiner aber feiner Unterschied!

 

Übrigens, das Hungerhormon Ghrelin wird zwar im Magen gebildet, es entsteht aber nicht durch einen leeren Magen. Es wird erst gebildet, wenn die Zellen nicht mehr mit Nährstoffen versorgt werden und wenn sie insbesondere Fett oder Protein empfangen. Menschen, die intravenös ernährt werden, verspüren durch eine reine glucosehaltige Lösung ständig Hunger. Erst wenn, dieser Lösung Fett und Eiweiß beigemengt wird, bleiben sie trotz leerem Magen ohne Hunger.[1]

 

Ist Insulin niedrig, aber Glucagon hoch, wird Fett aus den Zellen mobilisiert und eine Versorgung der Muskelzellen und Organe mit Energie ermöglicht. Auch deshalb hat man bei niedrigen Insulinspiegeln weniger Hunger.[2]

 

Fructosezufuhr senkt den Ghrelinspiegel nicht. Deshalb macht Obst auch nicht wirklich satt.[3]

 

Wie sieht es mit dem Sättigungshormon Leptin aus? Ursprünglich dachte man, es sei möglich das Hormon Leptin als Schlankmacher zu verabreichen. Dies funktionierte aber nicht. Denn Leptin wird von den Fettzellen gebildet. Je adipöser ein Mensch ist, desto mehr Leptin hat er in seinem Blut. Das Problem ist also nicht ein Mangel an Leptin, sondern eine Leptinresistenz. Das Gehirn ist gegenüber dem Signal Leptin abgestumpft. Und was führt zu dieser Resistenz? Wieder das Hormon Insulin. Insulin blockiert das Leptinsignal.[4] Seinen Insulinspiegel niedrig zu halten, ist hier also auch der Schlüssel zum Wohlfühlen und ausgeprägten Sättigungsgefühl.

 



[1] McCutcheon, N.B. und Tennissen, A.M. 1989: Hunger and appetitive factors during total parenteral nutrition. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/2508550/

[2] Bikman, Benjamin 2020: Why we get sick. Chapter 15, 6/21

[3] Lustig, Robert 2016 : Die bittere Wahrheit über Zucker. S. 165

[4] Lustig, S. 59f

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Maike (Freitag, 21 Juli 2023 18:03)

    Liebe Andrea,

    danke, für die Erklärung der Zusammenhänge! Vielen Dank für deine Aufklärungsarbeit!